Der Wurm muss dem Fisch schmecken

Es ist irgendwie bezeichnend, dass selbst Global Player die kaufmännische Weisheit „Der Wurm muss dem Fisch schmecken“ vor ihrem Markteintritt in Asien gerne auch außer Acht lassen. Was den amerikanischen und europäischen Fischen mundet, wird natürlich auch mehr als einer Milliarde Chinesen schmecken, dachte sich Ebay 2003. Für 180 Millionen US-Dollar erwarb eBay Global das chinesische Unternehmen EachNet mit seinem Marktanteil von 85%.  „Think global“ dachten die Verantwortlichen und siedelten die Technologieplattform von eBay China in die USA um. Das eingesetzte Führungspersonal sprach weder chinesisch noch verfügte es über Markterfahrung in China. Auch die für aggressives Marketing investierten 100 Millionen US-Dollar halfen eBay nicht, seine Position behaupten zu können. Der Entscheidungsprozess vor dem Konsum ist bei Chinesen stark auf das Einholen von Informationen nach erster Begutachtung des Kaufobjektes ausgerichtet. Laut aktuellen Medienbeobachtungen stehen zum Beispiel Online-Empfehlungen in Asien an dritter Stelle bei den Informationsquellen, denen die Menschen vertrauen. Eine schnell agierende Konkurrenz, die sowohl ihr Marketing als auch die Internetplattform auf diese Bedürfnisse und Besonderheiten der chinesischen Konsumenten ausrichtete, nahm eBay in vier Jahren mehr als 75 % seiner erworbenen Marktanteile ab. Mit 7,7 % verbliebenen Anteilen zog sich das Unternehmen 2007 zurück.

Auch nach einem erfolgreichen Markteintritt muss die Philosophie immer wieder an die Entwicklungen der Konsumenten und des politischen Systems angepasst werden. Das aktuellste Beispiel dafür stellt Apple dar. Die chinesischen Konsumenten haben in den letzten Jahren ein immer größeres Selbstbewusstsein entwickelt. So kritisierten diese in den chinesischen sozialen Netzwerken Apples Garantieleistungen in China im Vergleich zu anderen Ländern als unfair. Die zumeist staatlich kontrollierten öffentlichen Medien nutzten ihre Chance und publizierten aggressiv die bis dahin unbeachtete Kritik der chinesischen Konsumenten. Um sein Image nicht noch stärker zu gefährden, gab das Unternehmen letztendlich dem öffentlichen Druck nach und entschuldigte sich in einem offenen Brief auf seiner chinesischen Homepage: „Wegen mangelhafter Kommunikation nach außen empfinden einige Apples Haltung hinsichtlich des Kunden-Feedbacks als arrogant, nachlässig und gleichgültig“, hieß es in einer Aussage von Konzernchef Tim CookDiese offene Entschuldigung wurde von der Mehrheit der chinesischen Konsumenten sehr positiv aufgenommen und stellte den vorherigen Ruf des Unternehmens größtenteils wieder her.

Selbst in China erfolgreich tätige deutsche Unternehmen begehen den Fehler, ihr Auftreten und Service nicht an die chinesische Kultur anzupassen. Neben Qualität und Zuverlässigkeit werden sie zum Teil auch mit Arroganz in Verbindung gebracht. Siemens-Bosch ignorierte 2011 zunächst die Kritik des bekannten Bloggers Luo Yonghao am Schließmechanismus seiner Kühlschranktür in Chinas größtem Microblog Sina Weibo. Yonghao erhöhte den Druck  mit seinen über eine Million Anhängern und forderte, „…dass Siemens endlich die Qualitätsmangel seiner Produkte mit klaren Worten eingesteht“. Typisch europäisch fiel darauf die Reaktion des Konzerns aus. Auf eine öffentliche und direkte Entschuldigung beim Geschädigten für die fehlende Qualität seines Produktes, wie sie in China und den meisten anderen asiatischen Staaten üblich wäre, wurde gewohnheitsmäßig verzichtet. Stattdessen wurden seichte PR-Kommentare zum aufmerksamen Kundendienst des Hausgeräteherstellers veröffentlicht, ohne auf das tatsächliche Problem einzugehen. 30 zerstörte Kühlschränke später (Luo Yonghao hatte sie mit seinen Netzaktivisten öffentlichkeitswirksam vor laufenden Kameras mit einem Vorschlaghammer zertrümmert) sah das Unternehmen seine PR-Fehler ein. Es folgten ein Wechsel des Marketingunternehmens, eine öffentliche  Entschuldigung und ein neu entwickelter Umgang mit Kundenbeschwerden über Sina Weibo.

Spätestens seit diesem Fall sollten sich auch alle anderen Unternehmen, die in China tätig sind oder es vorhaben darüber bewusst werden, dass die deutsche Art Geschäfte zu machen nicht automatisch auf jedes Land übertragen werden kann, nur weil sie qualitativ für viele ein Vorbild darstellen. So ergab eine repräsentative Umfrage unter Chinesen, dass 84% der Teilnehmer Verbesserungspotenzial für den Service deutscher Produkte sehen. Weiterhin bescheinigen über 50% den deutschen Unternehmen ein arrogantes Auftreten. Hinzu kommt noch, dass 41% der Befragten im Qualitätsvorsprung deutscher Produkte keine Selbstverständlichkeit sehen.

Jeder Manager eines deutschen global agierenden Unternehmens sollte dies als Einladung zur regelmäßigen Selbstreflektion und Anpassung an die Bedürfnisse der chinesischen Konsumenten betrachten.

Think global but act local.

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